Das vor über 20 Jahren abgeschlossene Humangenomprojekt hat die Medizin massiv beeinflusst. Biodiversity Genomics Europe (BGE), ein neues paneuropäisches Konsortium, das heute ins Leben gerufen wurde, strebt eine ähnliche Wirkung für ein besseres Verständnis und den Schutz der biologischen Vielfalt an. BGE bringt zwei wichtige Initiativen zusammen, die DNA-Sequenzierungsdaten für die Biodiversitätsforschung auf europäischer Ebene nutzen. Als einer der Koordinatoren des BGE-Konsortiums leitete Robert Waterhouse, Gruppenleiter bei SIB, die Projektkonzeption und wird nun die Umsetzung dieses von Horizon Europe finanzierten Programms beaufsichtigen.

BGE: Zwei führende Initiativen im Bereich Biodiversitätsgenomik schließen sich zusammen

Bislang stehen zwei wichtige europäische Biodiversitätsinitiativen für die parallelen Bemühungen von Forschungsgemeinschaften, die sich mit Gesamtgenomsequenzierung oder DNA-Barcoding befassen (siehe Kasten): der European Reference Genome Atlas (ERGA), an dessen Aufbau mehrere Gruppenleiter der SIB beteiligt waren und der die Erstellung hochwertiger Referenzgenome für schätzungsweise 200 000 Arten in ganz Europa koordinieren soll, und iBOL Europe, das DNA-Barcoding zur schnellen Identifizierung und Überwachung von Arten einsetzt.

Biodiversity Genomics Europe (BGE) will erstmals die Bemühungen dieser beiden Initiativen bei der Probenahme und Analyse der Biodiversität bündeln. Durch die Zusammenführung von 33 Partnern aus 20 europäischen Ländern wird BGE die Zahl der Kooperationen auf dem gesamten Kontinent erheblich erhöhen und so eine effizientere Generierung von Genomdaten in großem Maßstab sowie einen besseren Zugang zu den Ergebnissen und deren Austausch zwischen Forschern und anderen Interessengruppen gewährleisten.

Wie die Sequenzierung von DNA zum Verständnis und Schutz der biologischen Vielfalt beitragen kann

Die Gesamtgenomsequenzierung liefert ein vollständiges Bild davon, wie biologische Systeme funktionieren und, was entscheidend ist, wie Arten auf Umweltveränderungen reagieren und sich an sie anpassen. Die Erstellung einer Karte des vollständigen Erbguts jedes Organismus offenbart das Vorhandensein von Genen und anderen Genommerkmalen und ermöglicht es, zu verfolgen, wann die Vielfalt innerhalb einer Art gefährlich gering wird. Barcoding hingegen konzentriert sich auf die Katalogisierung kurzer DNA-Sequenzen, die eine schnelle Identifizierung von Arten anhand von Proben ermöglichen, die in einer Vielzahl von Umgebungen gesammelt wurden. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Durchführung von Programmen zum Schutz und zur Überwachung von Ökosystemen oder um auf das Vorhandensein potenziell gefährlicher invasiver Arten hinzuweisen.

Eine Schweizer Führungsrolle für die koordinierten gemeinsamen Anstrengungen

SIB-Gruppenleiter Robert Waterhouse (Universität Lausanne) koordiniert die gemeinsamen Aktivitäten des Projekts, in denen das Fachwissen aus den Bereichen DNA-Barcoding (iBOL Europe) und Genomik (ERGA) zusammenfließt. Waterhouse erklärt: „Das BGE bringt Menschen zusammen, die normalerweise nicht miteinander sprechen, von Taxonomen bis zu Sequenzierungsspezialisten, von Feldökologen bis zu Genomforschern und Bioinformatikern. Durch die Verknüpfung dieser wichtigen genomischen Ansätze erkennen wir den Wert der Zusammenarbeit in Bereichen, in denen wir starke Synergien haben, beispielsweise durch die Entwicklung von Protokollen, die sicherstellen, dass bei der Probenahme von Arten Material gesammelt wird, das sowohl für das Barcoding als auch für die Erstellung von Referenzgenomen verwendet werden kann.“ Dies bringt einige der Ziele der BGE im Bereich der Datenverwaltung zum Ausdruck, nämlich die optimale Nutzung von Daten für die zukünftige Forschung. Diese Ziele stehen auch im Einklang mit denen des von der SIB geleiteten SwissBioData ecosystem (SBDe)-Vorschlags.

Von den verschiedenen Aktivitäten, die für die Erreichung der Ziele dieses Projekts unerlässlich sind, ist Waterhouse auch an der Ausbildung und dem Wissenstransfer beteiligt, um sicherzustellen, dass das im Projekt entwickelte Fachwissen an die Mitglieder beider Forschungsgemeinschaften weitergegeben wird. Dies umfasst alle Schritte der Datenerstellungs-Workflows, von der Probenahme im Feld bis zur DNA-Extraktion oder vom Datenbrokering bis zur Bioinformatik-Analyse. Zu diesen Analysen gehören Genomik-Daten-Workflows, die SIB-Ressourcen wie BUSCO (Teil von SwissOrthology) nutzen.

Bewältigung der Herausforderungen für die biologische Vielfalt

Die Aktivitäten der BGE werden von der Europäischen Kommission sowie den Regierungen der Schweiz und des Vereinigten Königreichs finanziert und stellen einen bedeutenden Fortschritt für die Genomforschung im Bereich der Biodiversität in Europa dar. Das Konsortium wird dazu beitragen, die Ziele des Europäischen Grünen Deals und der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 zu erreichen, um Herausforderungen für die Biodiversität wie den Rückgang der Bestäuber und die Verschlechterung der Lebensräume anzugehen.

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