Die Bewältigung der Biodiversitätskrise erfordert ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise biologischer Systeme, der Reaktion von Arten auf Umweltveränderungen und der entscheidenden Rolle, die genetische Variation in diesen Prozessen spielt. Die Kartierung des vollständigen DNA-Bauplans jeder Art durch Sequenzierung und Assemblierung ihres Genoms bildet die Grundlage für das Verständnis der Biodiversität auf genetischer Ebene. Um die Produktion von Genomen zu steigern, hat der European Reference Genome Atlas (ERGA) unter dem Vorsitz von Robert Waterhouse, Direktor der SIB-Gruppe Environmental Bioinformatics, ein gemeinschaftliches Pilotprojekt ins Leben gerufen, dessen Ergebnisse heute veröffentlicht werden und die Vorteile und Herausforderungen solcher verteilter Gemeinschaftsprojekte hervorheben. Diese ERGA-Gemeinschaftsinitiative zielt darauf ab, das erste dezentrale, zugängliche, gerechte und inklusive Modell für die Erstellung hochwertiger Referenzgenome zu entwickeln und zu testen. Aus der Schweiz wurden im Rahmen des ERGA-Pilotprojekts acht Arten untersucht, darunter eine Wasserprimel, mehrere Insekten und zwei charismatische Fischarten.
Aufbau eines europaweiten Netzwerks zur Erstellung von Referenzgenomen
Die Verbreitung von Arten ist nicht an nationale Grenzen gebunden. Daher muss die Biodiversitätsforschung auf transnationaler Ebene stattfinden, um die Ressourcen und Kenntnisse aufzubauen, die für die Überwachung und Bewertung von Arten sowie für den Schutz und die Wiederherstellung ihrer Lebensräume erforderlich sind. Der European Reference Genome Atlas (ERGA) ist daher bestrebt, Forscher in ganz Europa miteinander zu vernetzen, bewährte Verfahren für alle Schritte des Genomgenerierungsprozesses zu entwickeln und auszutauschen und so die Beteiligung aller Länder zu erhöhen. Das ERGA-Pilotprojekt hat eine Schlüsselrolle beim Aufbau dieses Netzwerks gespielt, indem es eine Zielliste mit 98 Arten aus 33 europäischen Ländern definiert und gemeinsam die Erstellung vollständiger Referenzgenome unterstützt hat. An dieser Initiative waren mehr als 200 Forscher beteiligt, die die Ansätze, gewonnenen Erkenntnisse, Herausforderungen und wichtigsten Ergebnisse in einem Artikel in der Fachzeitschrift npj Biodiversity beschreiben.
Schweizer Beteiligung an der europäischen Genomforschung zur Biodiversität
Für Robert Waterhouse, Direktor der SIB-Gruppe Environmental Bioinformatics und Vorsitzender von ERGA, zeigt das ERGA-Pilotprojekt deutlich, wie wichtig der Aufbau einer Gemeinschaft ist, um die Ziele von ERGA zu erreichen, nämlich die Kapazitäten zu verbessern, Wissen auszutauschen und die Beteiligung aller Länder an der Erstellung von Referenzgenomen zu erhöhen. Die Schweiz beteiligte sich mit acht Arten: der Wasserprimel (Hottonia palustris), der Hummelbiene (Andrena humilis), der Eintagsfliege (Epeorus assimilis), der Europäischen Obstbienen (Osmia cornuta), zwei Arten von Carabus- Laufkäfern sowie der ungewöhnlichen, gelbflossigen Morphe des Europäischen Barsches (Perch) und dem vom Aussterben bedrohten Rhone-Streber (Zingel asper). Europäischen Barsch und die vom Aussterben bedrohte Rhone-Streber (Zingel asper).
Das SIB koordinierte die Beteiligung von SIB-Mitgliedern und Forschern aus neun bedeutenden Institutionen des Landes, darunter die Universitäten Bern, Lausanne, Neuenburg und Zürich sowie die ETH Zürich, die Eawag Eidgenössische Anstalt für Wasserenergie und Wasserforschung, die Naturhistorischen Museen Bern und Genf und das Naturéum in Waadt.
Die Datenerfassung in der Schweiz erfolgte in Sequenzierungszentren wie dem Lausanne Genomic Centre Facility, dem Functional Genomics Center Zurich und der Bern Next Generation Sequencing Platform.
Wichtig ist, dass diese nationalen und internationalen Kooperationen, die durch das ERGA-Pilotprojekt entstanden sind, die Fähigkeit der Schweiz stärken, einen Beitrag zu den Bemühungen im Bereich der Biodiversitätsgenomik in Europa und darüber hinaus zu leisten und dabei eine führende Rolle zu spielen, beispielsweise im Biodiversity Genomics Europe Project und im Earth BioGenome Project.
Was ist ERGA? – European Reference Genome Atlas
Reference(s)
Mc Cartney AM., Formenti G., Mouton A., et al. Der European Reference Genome Atlas: Pilotprojekt für einen dezentralisierten Ansatz für eine gerechte Genomik der Biodiversität. npj Biodiversity, 2024.
Mazzoni CJ., Ciofi C. und Waterhouse RM. Biodiversität: ein Atlas europäischer Referenzgenome. Nature, 2023.
Bildunterschrift: Beispiele für europäische Arten, die im Rahmen des ERGA-Pilotprojekts für die Referenzgenomsequenzierung ausgewählt wurden. Bildnachweis: Fotos von ©Mantonature, ©Cucu Remus, ©dadalia, ©scubaluna, ©Kristian_Nilsson, ©AlbyDeTweede, ©Carine Carnier, ©Daniel Jara von Getty Images über Canva.com