Seitdem 1. April ist Christophe Dessimoz neuer Co-Geschäftsführer der SIB an der Seite von Ron Appel, einem Gründungsmitglied des Instituts. Er engagiert sich stark für das Schweizer Life-Science-Ökosystem und ist ausserdem Associate Professor an der Universität Lausanne mit internationaler Ausstrahlung in den Bereichen vergleichende Genomik und Big-Data-Analyse. Wir haben ihn gefragt, inwiefern ihm seine Position als Forscher für diese Aufgabe zugutekommt und wie er die Mission der SIB zur Erhaltung biologischen Wissens sieht.

KURZE BIOGRAFIE

Master in Biologie 2003 an der ETH Zürich
Doktor der Informatik 2009 an der ETH Zürich 
Postdoc am European Bioinformatics Institute, Cambridge (Großbritannien) von 2011 bis 2013
Von 2013 bis 2022 Fakultätsmitglied am University College London
SNSF-Professor an der Universität Lausanne seit 2015 und seit 2021 assoziierter Professor 
Seit 2016 Gruppenleiterin der SIB
Seit April 2022 Co-Geschäftsführer der SIB

Heute übernehmen Sie Ihre Funktion als Joint Executive Director von SIB, der nationalen Organisation für Daten aus den Lebenswissenschaften: Inwiefern ist Ihre Position als Forscher für diese Aufgabe von Vorteil?

Zunächst einmal glaube ich fest an die Mission der SIB, die Lebenswissenschaften mit modernsten Ressourcen, Fachwissen und Methoden zu unterstützen und die Bioinformatik auf nationaler und internationaler Ebene zu koordinieren, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass wir Forscher eine solide Infrastruktur benötigen, um unsere Arbeit bestmöglich zu erledigen.

Darüber hinaus ermöglicht die hybride Struktur der SIB, bei der SIB-Experten in Forschungsgruppen an Schweizer Universitäten und Forschungsinstituten eingebunden sind, dass sie an der Spitze der Forschung bleibt. So sind beispielsweise alle vier Neuzugänge im Ressourcenportfolio der SIB in diesem Jahr (ASAP, Cellosaurus, Glyco@Expasy und Nextstrain) in angegliederten Forschungsgruppen entstanden und werden von SIB-Mitarbeitern weiterentwickelt. Das ist das Schweizer Modell in seiner besten Form – ein Zusammenschluss verschiedener Gruppen mit einer starken Identität und einem Ruf für Qualität und Innovation. Eine solche hybride Organisation bietet einen echten Mehrwert für die Erfüllung des Auftrags, den das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) der SIB übertragen hat. Wenn es die SIB nicht gäbe, müsste man sie erfinden.

Wo sehen Sie die größten Stärken von SIB?

Nicht umsonst gilt das SIB als Vorbild in Europa: Seine Rolle bei der Bereitstellung biologischer Kenntnisse für Fachleute und Laien durch Biokuration ist ein klarer Gewinn für die wissenschaftliche Gemeinschaft. Dies ist auch im Zeitalter der KI von besonderer Bedeutung, da Maschinen als ultimative Nicht-Fachleute angesehen werden können.

Die Qualität und Zuverlässigkeit der Infrastrukturlösungen, die das Institut für die Life-Science-Community entwickelt, sind eine weitere klare Stärke, ebenso wie die Tatsache, dass es national und international ein aktiver und vertrauenswürdiger Partner ist und seine Trainingsaktivitäten bemerkenswerte Wirkung zeigen.

Schließlich verfügt das SIB zwar nur über vernachlässigbare materielle Vermögenswerte und geistiges Eigentum, da die Daten offen und der Code größtenteils Open Source sind, aber es sind seine außergewöhnlichen personellen Ressourcen mit 200 Mitarbeitern und 600 Mitgliedern, die das Institut vorantreiben.

Insgesamt ist die Kernkompetenz der SIB im Bereich der Datenwissenschaft von entscheidender Bedeutung für die fortschreitende digitale Transformation in Biologie und Medizin.

Wie tankst du außerhalb der Wissenschaft neue Energie?

Ich bin ein großer Jazzfan. Als mein Sohn vor ein paar Jahren angefangen hat, Gitarre zu spielen, habe ich beschlossen, mit ihm zusammen zu lernen, und es macht mir unglaublich viel Spaß. Es ist etwas Unbeschreibliches, fast Transzendentales, wenn die Finger unbewusst die richtigen Stellen finden. Seit drei Jahren bin ich außerdem Fußballtrainer für Kinder. Früher war ich einer dieser nervigen Eltern, die am Spielfeldrand lautstark Anweisungen brüllen, aber jetzt als Trainer habe ich endlich eine Legitimation dafür.

PROFIL

Ein Insider der Schweizer Bioinformatik, der sich stark für die Data-Science-Community engagiert…

Christophe Dessimoz ist ein international anerkannter Wissenschaftler und seit 2013 Fakultätsmitglied am University College London, der auch mit dem Schweizer Life-Science-Ökosystem bestens vertraut ist. Als SIB-Gruppenleiter und seit 2018 als gewähltes Mitglied des SIB-Vorstands hat er sich stets intensiv für das Leben des Instituts engagiert . Seine Begeisterung für die Überbrückung der Kluft zwischen Nasslabor und computergestützten Ansätzen veranlasste ihn, den Vorsitz der Life Science Switzerland (LS2) Bioinformatics Intersection von ihrer Gründung bis Januar 2022 zu übernehmen .

… mit internationaler Ausstrahlung in den Bereichen vergleichende Genomik und Big-Data-Analyse

Christophe leitet eine hochgradig kooperative und interdisziplinäre Forschungsgruppe. Sein Team entwickelt die OMA-Datenbank, die Genome über den Stammbaum des Lebens hinweg miteinander verknüpft und seit 2012 Teil des Ressourcenportfolios der SIB ist. Unter zahlreichen Auszeichnungen wurde er 2019 mit dem Overton-Preis der International Society for Computational Biology (ISCB) ausgezeichnet. Christophe engagiert sich nicht nur leidenschaftlich für die Forschung, sondern auch für die Vermittlung ihrer Bedeutung für die Gesellschaft. So beteiligt er sich an wissenschaftlichen Outreach-Projekten: 2021 wurde das gemeinsam mit anderen SIB-Mitarbeitern entwickelteProjekt «In the Light of Evolution», das die Evolutionsbiologie entmystifiziert, mit dem Optimus Agora-Preis des SNF ausgezeichnet.