Können durch den Einsatz künstlicher Intelligenz mehr Arten vor dem Aussterben bewahrt werden? Ein Forscherteam unter der Leitung von SIB-Gruppenleiter Daniele Silvestro von der Universität Freiburg und der Universität Göteborg hat ein neues Softwarepaket namens CAPTAIN trainiert, das wesentliche Parameter – darunter auch finanzielle – für eine effiziente Auswahl von Schutzgebieten berücksichtigt. Bei einem gegebenen Budget bietet CAPTAIN Lösungen, die mehr Arten schützen als alternative Methoden. Ihre Arbeit wird heute in der Fachzeitschrift Nature Sustainability veröffentlicht.

Die Reaktionen auf die immer dringlicher werdenden Forderungen nach Maßnahmen zur Eindämmung des Biodiversitätsverlusts sind letztlich durch die finanziellen Mittel begrenzt, die Regierungen und politische Entscheidungsträger für Naturschutzprogramme bereitstellen können (oder wollen). Der zunehmende und weit verbreitete Druck des Menschen auf die Ökosysteme und die eskalierende Klimakrise erschweren die Suche nach wirksamen Möglichkeiten zum Schutz der Natur zusätzlich. Ein internationales Team aus Schweizer, schwedischen und britischen Wissenschaftlern kommt nun zu dem Schluss, dass mit künstlicher Intelligenz gezieltere Naturschutzmaßnahmen entwickelt werden können. Die Forschungsgruppe hat sich auf Erkenntnisse aus der Biologie, Umweltökonomie und Informatik gestützt, um einen neuen Ansatz zu entwickeln, mit dem sich bestimmen lässt, wo die Einrichtung von Schutzgebieten in einer Region oder einem Land am sinnvollsten und wirksamsten ist.

Mehr Arten für ein gegebenes Budget geschützt

Ihre Lösung ist in einem Open-Source-Softwarepaket namens CAPTAIN (Conservation Area Prioritization Through Artificial INtelligence) implementiert, das Daten zur Biodiversität und zum für den Naturschutz bereitgestellten Budget mit dem Druck durch den Menschen und dem Klimawandel zusammenführt. Durch KI optimierte Modelle ermöglichen so bessere Lösungen als mit anderer Software. Bei einem gegebenen Budget bietet CAPTAIN Lösungen, die mehr Arten schützen als einfachere Ansätze, beispielsweise solche, die sich auf den Schutz der artenreichsten Gebiete konzentrieren.

Kontinuierliche Überwachung ist entscheidend

Im Rahmen ihrer Modellierungsarbeiten haben die Autoren außerdem festgestellt, dass die biologische Vielfalt am besten geschützt ist, wenn detaillierte Kenntnisse über die räumliche Verteilung der Arten vorliegen und die Populationen regelmäßig überwacht werden – nicht nur durch Experten vor Ort und unter Einsatz neuer Technologien wie Umwelt-DNA und Drohnenaufnahmen, sondern auch durch bürgerwissenschaftliche Initiativen.

Ein Algorithmus, der in einer „Videospiel“-Situation trainiert wurde

„Um unsere KI-Modelle zu optimieren, simulieren wir eine künstliche Welt, in der viele Arten dem Druck des Menschen ausgesetzt sind, beispielsweise durch direkte Ausbeutung oder Landnutzungsänderungen, sowie dem Klimawandel“, erklärt der Bioinformatiker Daniele Silvestro, Professor an der Universität Freiburg und Gruppenleiter am SIB, sowie Erstautor der Studie. «Dann lassen wir den Algorithmus die Rolle eines politischen Entscheidungsträgers übernehmen, wie in einem Videospiel, wo die Belohnung die Anzahl der Arten ist, die am Ende des Spiels vor dem Aussterben bewahrt wurden. Das Programm spielt das Spiel viele Male, woraufhin es lernt, wie Schutzgebiete in dieser simulierten Welt am besten platziert werden. Nach dieser Trainingsphase ist der Algorithmus bereit, auf reale Daten angewendet zu werden.»
„Angesichts der Tatsache, dass keines der 20 international vereinbarten Aichi-Biodiversitätsziele aus dem Jahr 2010 vollständig erreicht wurde, ist es klar, dass wir überdenken müssen, wie wirksame und realistische Naturschutzmaßnahmen ausgearbeitet werden“, sagt Alexandre Antonelli, wissenschaftlicher Direktor bei Kew (Großbritannien), der die Forschung mitgeleitet hat. „Wir glauben, dass KI ein bahnbrechendes Instrument sein kann, um politischen Entscheidungsträgern dabei zu helfen, die verfügbaren Daten optimal zu nutzen und den irreversiblen Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen.“

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Reference(s)

Silvestro, D. et al. Verbesserung des Schutzes der biologischen Vielfalt durch künstliche Intelligenz. Nature Sustainability, 2022.

Bildnachweis für das Banner: Alexandre Antonelli