Was sind die neuesten computergestützten Fortschritte zum besseren Verständnis von Krankheiten oder Ökosystemen? Wie gehen Bioinformatiker mit der COVID-19-Krise um? Die erste virtuelle Ausgabe unserer internen Konferenz (8.-10. Juni) ist ihrem Anspruch treu geblieben, die wissenschaftliche Vielfalt der Schweizer Bioinformatik zu repräsentieren. Sie brachte 390 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Schweiz aus den Bereichen Computational Biology und Bioinformatik sowie die internationalen Keynote-Speaker Victoria Nembaware (Sickle Africa Data Coordinating Centre) und Flora Graham (Nature Briefing) zusammen. Wir laden Sie ein, eine Zusammenfassung der Highlights aus den parallelen Sessions, der COVID-19-Podiumsdiskussion und den Keynotes zu entdecken und die aufgezeichneten Vorträge anzusehen, von denen die meisten veröffentlicht werden konnten.
Was sind die SIB Days?
Die SIB Days sind die interne Konferenz des SIB Swiss Institute of Bioinformatics, die alle zwei Jahre stattfindet. Ihr Ziel? Den 80 Gruppen der SIB in der ganzen Schweiz durch eine Vielzahl von Themen aus dem Bereich der Bioinformatik eine Stimme zu geben und ihren 800 Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, sich in einer freundlichen Atmosphäre zu treffen, sich über ihre Aktivitäten auszutauschen und Kooperationen anzubahnen. Aufgrund von COVID-19 fand die Konferenz vom 8. bis 10. Juni 2020 erstmals virtuell statt.

Als Bioinformatiker in der COVID-19-Krise: vier Perspektiven
„Mit dieser Podiumsdiskussion wollten wir Aspekte der Pandemie beleuchten, die bisher wenig diskutiert wurden, aber für uns als Bioinformatiker von grossem Interesse sind“, sagt Julien Roux von der Universität Basel, der die Sitzung mitgeleitet hat. Zu den diskutierten Themen gehörten: Biokuration, Nachhaltigkeit von Ressourcen, Training und offene Wissenschaft.
Aus der Perspektive von vier SIB-Wissenschaftlern – Emma Hodcroft von der Universität Basel, Philippe Le Mercier von der Swiss-Prot-Gruppe der SIB, Patricia Palagi von der Training-Gruppe der SIB und Fabio Rinaldi von der Universität Zürich und dem Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence Research – wurde schnell deutlich, dass die COVID-19-Krise über ihre disruptive Natur hinaus die COVID-19-Krise auch Bioinformatik-Ressourcen wie Nextstrain und ViralZone wie nie zuvor ins Rampenlicht rückte, die Frage der langfristigen Finanzierung von Datenbanken und Software-Tools relevanter denn je machte, den Umstieg auf Online-Angebote der SIB-Bioinformatikkurse beschleunigte und damit einem breiteren Publikum zugute kam und schliesslich erstaunliche gemeinsame und offene wissenschaftliche Anstrengungen förderte.
Die Kommunikation mit den Medien in Zeiten von Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wurde ebenfalls diskutiert. „Phylogenien sind ‚wunderschön gefährlich‘“, sagte Emma Hodcroft, Mitentwicklerin von Nextstrain, was dazu verleitet, ungenaue Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie erklärte, wie sie und ihre Kollegen schriftliche Erläuterungen auf der Ressourcen-Website entwickelt haben, um einem breiten Publikum komplexe Konzepte besser zu vermitteln.
Entdecken Sie die vielen Lehren, die aus dieser außergewöhnlichen Situation gezogen wurden, sowie die verbleibenden Herausforderungen, die für die nächste Pandemie bewältigt werden müssen, indem Sie sich die Sitzung mit anschließender Fragerunde ansehen:
Zugriff auf die Videos der aufgezeichneten Sitzungen: SIB Days 2020-Playlist
Einblick in die Schweizer Bioinformatik-Landschaft
Eine besondere Stärke der Veranstaltung ist die Vielfalt der behandelten Themen: Die SIB verbindet Wissenschaftler aus so unterschiedlichen Bereichen wie sichere Infrastruktur, Genomik, Transkriptomik oder Systembiologie. Acht thematische Sitzungen mit über 50 Vorträgen deckten diese Vielfalt ab. Insbesondere zwei Sitzungen veranschaulichten, wie Bioinformatik heute auf gesellschaftliche Themen wie Gesundheit oder Umwelt angewendet wird.
Die Sitzung „Datengesteuerte Ansätze zum Verständnis von Gesundheit und Krankheit” wurde gemeinsam von SIB-Gruppenleiterin Katja Baerenfaller (Schweizerisches Institut für Allergie- und Asthmaforschung, Davos) und Postdoktorand Konstantin Popadin (EPFL) geleitet. Die Kartierung der Heterogenität von Tumoren anhand von Einzelzelldaten, die Früherkennung von Neugeborenengelbsucht durch maschinelles Lernen, die Ermöglichung einer föderierten Datenanalyse für die biomedizinische Forschung ...: Von der Einrichtung sicherer Infrastrukturen bis hin zur Erforschung biologischer (Dys-)Funktionen zeigte die Sitzung, wie allgegenwärtig die Bioinformatik ist, wenn es um die Verbesserung der Gesundheit geht.
„Wir waren tief beeindruckt von der Bandbreite der vorgestellten Projekte, die von Datenanalyse und Visualisierung bis hin zu biomedizinischen Berechnungen reichten. Diese Sitzung hat die erheblichen Fortschritte in der Datenverarbeitung aufgezeigt, die es Wissenschaftlern ermöglichen, ein tieferes Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu erlangen“, sagt Katja Baerenfaller. Sehen Sie sich das Video an
SIB-Gruppenleiterin Maria Anisimova (ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) und Postdoktorand Théo Gaboriau (UNIL) leiteten die Sitzung „Ecosystems bioinformatics in ecology and agriculture”, in der Vorträge über das Mikrobiom der Ozeane, die Verwendung von Protistengemeinschaften als landwirtschaftliche Bioindikatoren, das Microbe Atlas Project (MAP) sowie darüber gehalten wurden, was uns der Speichel australischer Ureinwohner verraten kann. Video ansehen
Den Horizont erweitern mit inspirierenden Keynotes
Victoria Nembaware, die sich aus Südafrika zugeschaltet hatte, ist Projektmanagerin des Sickle Africa Data Coordination Centre (SADaCC) und Sekretärin der African Society for Human Genetics. Sie berichtete über ihre Erfahrungen mit biomedizinischer Gesundheitsinformatik in Afrika und gab einen detaillierten Überblick über die Konzeption und Umsetzung groß angelegter, politikorientierter Maßnahmen zur Bekämpfung der Sichelzellenkrankheit in der Subsahara-Region. Eine wichtige Botschaft? Sie betonte, wie wichtig es ist, Datenmanager in die Datenanalyse einzubeziehen: „Wenn man sein Wasser selbst trägt, lernt man den Wert jedes Tropfens zu schätzen.“ Sehen Sie sich das Video an
Viele Teilnehmer kannten die zweite Hauptrednerin bereits aus der einflussreichen täglichen Zusammenfassung wissenschaftlicher Nachrichten„Nature Briefing“. Nun hatten sie die Gelegenheit, Flora Graham, Wissenschaftsjournalistin und leitende Redakteurin des täglichen Newsletters von Nature, die aus London zugeschaltet war, zuzuhören und mit ihr zu diskutieren. Flora Graham gewährte einen Blick hinter die Kulissen des Wissenschaftsjournalismus und sprach unter anderem darüber, wie man mit sozialen Medien umgeht und wie man Erfolg misst. Sie schlug vor, die Vorstellung, dass „Bioinformatik zu langweilig ist“, zu dekonstruieren, indem sie Einblicke gab, wie Bioinformatiker zu einer breiteren Diskussion über Themen wie die Forderung nach Datenaustausch in der Genomik oder über Technologien mit Relevanz für Gesundheit und Umwelt beitragen können.
„Wir hatten großes Glück, zwei hervorragende Hauptredner zu haben: Sie haben den Rahmen der SIB Days sowohl durch die von ihnen behandelten Themen als auch durch ihren einzigartigen Hintergrund und ihre Berufserfahrung erheblich erweitert. Die Vorträge haben dem Publikum bisher übersehene Herausforderungen der Gesundheitsforschung in Afrika und spannende Lösungen, die derzeit entwickelt werden, nähergebracht. Und wir haben einige inspirierende Anregungen erhalten, warum und wie wir unsere Forschungsergebnisse mit breiten Kommunikationskanälen verbinden können, während wir gleichzeitig einen Einblick in deren interne Abläufe erhielten“, sagt Roman Arguello (Universität Lausanne), Gruppenleiter des wissenschaftlichen Komitees der SIB Days 2020.
Der Wechsel von einer Präsenzkonferenz zu einer virtuellen Veranstaltung bringt mehrere Herausforderungen mit sich: Wie kann man sicherstellen, dass die Teilnehmer problemlos auf die einzelnen Vorträge zugreifen können? Wie kann man gewährleisten, dass sie miteinander sprechen und interagieren können? Wie können sie Poster präsentieren, und in welchem Format?
„Wie viele andere Veranstaltungen in dieser Zeit mussten wir uns sehr schnell an die besonderen Umstände anpassen“, sagt Franziska Gruhl, Scientific Events Managerin in der Kommunikationsabteilung von SIB. „Von der Anpassung des wissenschaftlichen Programms bis zur Einrichtung einer intuitiven Online-Plattform wurde alles getan, um eine maximale Interaktivität zwischen den Teilnehmern zu gewährleisten, denn das ist die Daseinsberechtigung der SIB Days.“
Die gemeinsam mit der Schweizer Webagentur Inetis entwickelte Konferenzplattform integrierte virtuelle Räume für jede Sitzung und jedes Poster. Von einem einzigen Ort aus konnten die Teilnehmer das Programm durchsuchen, an einer Sitzung teilnehmen und mit den Posterpräsentatoren interagieren, ohne dass sie dafür eine Software installieren mussten. Außerdem war die Kommunikationsplattform Slack eingebettet, die den Organisatoren als paralleler Kanal diente, um mit den Teilnehmern in Kontakt zu bleiben.
„Wir haben für jeden Zweck auf verschiedene Technologien zurückgegriffen, darunter Zoom, Slack und Jitsi“, fährt ihre Kollegin Solange Guye, Eventmanagerin, fort. „So konnten mehrere Testsitzungen angeboten werden, um die Sitzungsleiter, Referenten und Posterpräsentatoren bestmöglich zu informieren und vorzubereiten. Am Ende war es toll zu sehen, wie beliebt die Postergalerie und die Sitzungen waren. Wir haben sicherlich viele Anregungen für virtuelle Features, die wir für zukünftige Präsenzveranstaltungen beibehalten können!“
390
teilnehmer
7
workshops
8
parallele Sitzungen
83
referenten und Workshop-Leiter
18
sitzungsleiter
95
poster und Software-Demonstrationen
3.634
nachrichten auf Slack
2
yoga-Kurse (darunter einer für die ganze Familie) und ein Crossfit-Kurs
7 Stunden 43 Minuten
spielzeit der SIB Days-Playlist auf Spotify
Vielfalt, Gleichberechtigung, Inklusion
Der Wissenschaftliche Ausschuss* und das Organisationsteam der SIB Days 2020 haben verschiedene Massnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die vielfältige Gemeinschaft der SIB-Mitglieder vertreten ist und Chancengleichheit gewährleistet ist – dabei wurde besonders darauf geachtet, dass Frauen in den Reihen der Organisatoren, Sitzungsleiter und Keynote-Speaker vertreten sind.
So wurden beispielsweise die Sitzungsvorsitzenden nicht nur hinsichtlich des Geschlechts ausgewogen besetzt, sondern auch bewusst hinsichtlich ihrer Berufserfahrung (z. B. Gruppenleiter und Postdoktoranden) und ihres Standorts (z. B. Zürich/Genf) gemischt.
“Vielfalt war von Anfang an Teil des Organisationsprozesses der SIB Days: Unser wissenschaftlicher Ausschuss setzte sich aus Mitgliedern unterschiedlicher Senioritätsstufen, Geschlechter und Standorte in der Schweiz zusammen. Dies sorgte für eine kollegiale Atmosphäre, in der unterschiedliche Standpunkte frei ausgetauscht werden konnten – etwas, das wir auch für die gesamte Konferenz anstrebten. Als Postdoc war es für mich auch eine großartige Lernerfahrung, Hand in Hand mit Gruppenleitern und SIB-Organisatoren zusammenzuarbeiten“, sagt Aleksandra Sapala (ETH Zürich) vom Wissenschaftlichen Komitee der SIB Days 2020.
Das Ungleichgewicht zwischen den Einreichungen von Frauen und Männern im Vergleich zum Anteil aller Mitglieder hat sich seit den letzten SIB Days leicht verbessert:
- Im Jahr 2018 waren 62 % der Mitglieder Männer und 38 % Frauen, und 81 % der Vortragseinreichungen stammten von Männern, gegenüber 19 % von Frauen.
- Im Jahr 2020 waren 59 % der Mitglieder Männer und 41 % Frauen, und 71 % der Vortragseinreichungen stammten von Männern, gegenüber 29 % von Frauen.
*Das wissenschaftliche Komitee der SIB Days 2020: Roman Arguello, Gruppenleiter (Universität Lausanne); Julien Roux, leitender Wissenschaftler (Universitätsklinikum Basel); Aleksandra Sapala, Postdoktorandin (ETH Zürich); Robert Waterhouse, Gruppenleiter (Universität Lausanne)
Wir freuen uns darauf, Sie auf der [BC]2 2021 zu sehen!
„Das Zusammenkommen bei den SIB Days 2020 hat unsere Verbindungen als Gemeinschaft deutlich gezeigt und verdeutlicht, dass Bioinformatik sowohl ein unverzichtbarer Bestandteil der Life-Science-Forschung als auch eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin ist“, sagt Robert Waterhouse (Universität Lausanne), Gruppenleiter des wissenschaftlichen Komitees der SIB Days 2020.
Die von der SIB organisierte [BC]2 Basel Computational Biology Conference findet vom 13. bis 16. September 2021 in Basel statt. Weitere Informationen folgen in Kürze.
Die Videos der aufgezeichneten Vorträge finden Sie hier: SIB Days 2020 Playlist